Träume

Träume

Mysteriös, enigmatisch begleiten sie uns Jahr für Jahr, Nacht für Nacht. Je mehr Aufmerksamkeit wir ihnen schenken, desto lebendiger und präsenter bleiben sie bei uns am Morgen. Seit Jahren schreibe ich meine Träume auf. Warum mache ich das? Ich weiss es nicht genau. Beim späteren Durchlesen finde ich sie selten wirklich interessant. Doch am Morgen, wenn ich aufwache, bin ich geprägt, berührt, ja manchmal durchgeschüttelt, und ich habe das Bedürfnis, diese unzähligen Erfahrungen in irgendeiner Form auszudrücken. Am einfachsten geht es mir mit Schreiben. Ich dokumentiere, was ich noch weiss: Geschichten, Gefühle, Assoziationen, Ahnungen. Am schönsten und kreativsten finde ich die Gedichtform. Ich habe auch schon Träume gemalt. Diese Art des Ausdrucks ermöglicht, auf dem Blatt weiterzuträumen oder ein Gefühl, eine Szene zu vervollständigen, so dass es/sie sich verwandeln kann.
Oft erlebe ich am Tag nach dem Traum einen Schlüsselmoment, der eine deutliche Verbindung mit einem Nachttraum hat. Zum Beispiel fährt ein Auto mit der gleichen Farbe vorbei oder ein Mensch mit einem in der Nacht getroffenen Kleidungsstück usw. Fasziniert bin ich auch von Träumen, die sich über Jahre wiederholen und ganz langsam neue Lösungen aufzeigen, wie ein Film in mehreren Episoden. Jung sagt, es gibt Träume, die wie Pflanzennetze (zum Beispiel Efeu) wachsen. Erst mit den Jahren können wir die Ganzheit und die Schönheit ihrer Muster erkennen. Jung schreibt auch, es gäbe Menschen, die die grösste Arbeit in der Nacht beim Träumen verrichten und nicht am Tag. Träumend lösen wir manchmal schwierige Aufgaben für uns selbst oder für andere Menschen. Von Edward Bach wird berichtet, dass er im Traum einem befreundeten Fischer half, der sonst im Meer ertrunken wäre. Es gab Zeiten, Orten und es gibt immer noch Völker und Traditionen, in denen Träume wichtige Begleiter sind. Sie sind ein “Stück” Leben, das uns geschenkt wurde.
Manchmal bin ich überwältigt vom ganzen Traummaterial: So viele Schichten, so viele Geschichten. Was mache ich damit? Die Fülle des Lebens, die Fülle und Grosszügigikeit unseres Universums wird mir so bewusst, macht mich fast schwindelig. Welch ein Wunder es ist, ein Mensch zu sein, eine Frau zu sein!
Galsan Tschinag erklärt in einem Interview, für ihn seien Träume wie ein sanfter Wind, der die Richtung zeigt: “Ja, du bist auf dem richtigen Weg “… oder “Achtung, Gegenwind”. Dann lässt er sie aber wieder gehen. Schlechte Träume würde er in die Toilette erzählen, dann dreimal darauf spucken und die Klospülung betätigen!
Wir haben die Wahl, mit welchem Material aus dem Unbewussten wir arbeiten wollen und mit welchem nicht. Wenn wir am Morgen am Meeresstrand einen Spaziergang machen, holen wir uns auch nicht unbedingt den ganzen Müll mit nach Hause, der angespült wurde, sondern sammeln die schönen Muscheln. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Staunen, Sammeln, Schreiben, Malen, Wachsen und Weiterträumen!

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